Von Ulrike Schirm

    Kinostart: 14.03.2019

    Detective Erin Bell (Nicole Kidman) auf dem Weg zu einem Tatort. Die ungewaschenen Haare stumpf und fusselig, dunkelgeränderte rötliche Augen, sonnengegerbte schmutzige Haut, schlampige Klamotten, die an ihrem ausgemergelten Körper hängen, mit schwankenden Gang, einem Drogenjunkie gleich, nähert sie sich einer männlichen Leiche. Auffällig bei dem Toten, drei dunkle Tätowierungen im Nacken und einige mit Farbe gekennzeichneten Banknoten aus einem Überfall. Bei seinem Anblick muss sich Erin der Vergangenheit stellen. Vor 17 Jahren war sie Teil einer verdeckten Ermittlung, bei dem ihr damaliger Partner getötet wurde. Angesetzt waren sie auf eine Bande von Bankräubern und Drogendealern, einer der Überfälle endete in einer Katastrophe. Beim Anblick des Leichnams wird ihr klar, der Bandenboss muss wieder in der Stadt sein.

    Von F.-B. Habel

    Fern von westlichem Medieneinfluss hätte Florian Kunert aufwachsen sollen, dort wo Eltern und Großeltern im Tal der Ahnungslosen ihren unauffälligen Alltag lebten in der Region, in der keine Westsender zu empfangen waren. Doch im Jahr 1989, als der DDR-Bürger Florian Kunert zur Welt kam, öffneten sich Tore und die DDR schützte ihn nicht mehr vor allerlei Einflüssen. Mit einem Jahr wurde Florian Bundesbürger, und im Dresdner Raum machten die Ex-DDR-Bürger ganz neue Erfahrungen. Das, was sie Karl-Eduard von Schnitzler nicht geglaubt hatten, wurde – zumindest teilweise – wahr. Sie hatten vielerlei Informationen zu verarbeiten, aber dafür bald nichts mehr zum Arbeiten. In Neustadt in Sachsen, einst geprägt durch das nun abgewickelte Landmaschinenkombinat „Fortschritt“, wuchs Florian unter Ex-DDR-Bürgern auf, von denen viele mit der Arbeit auch ein Stück Lebensinhalt verloren hatten. Hier hielt es ihn nicht lange. Nach der Schulzeit lebte er eine Zeitlang in Südafrika und Indonesien, studierte Film in Kuba, um dann sein Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln abzuschließen. Er drehte Kurzfilme und legt nun seinen ersten langen Dokumentarfilm in der Forum-Sektion der Berlinale vor. Fortschritt im Tal der Ahnungslosen ist ein Film über das Wechselverhältnis zwischen den ehemals „Ahnungslosen“ in seiner Heimatstadt und denen, die aus armen Teilen der Welt in Neustadt Zuflucht suchen.

    Von Janosch Angene

    Ist ein Film automatisch schlecht, wenn er stellenweise so eklig ist, dass es einem die Fußnägel hochrollt und man sich im Kino oft wünscht, woanders zu sein? Nein, auf keinen Fall. Im Fall des Goldenen Handschuh von Fatih Akin würde ich argumentieren, dass die angewiderten Reaktionen des Publikums (mich eingeschlossen) eher ein Qualitätsmerkmal sind. Am Ende bleibt für mich aber das Fragezeichen: war das grade nur eine abgefahrene Geisterbahnfahrt, oder bleibt hier wirklich was zurück?

    Der Buchvorlage von Heinz Strunk folgend, erzählt der Goldene Handschuh die Geschichte des Serienmörders Friedrich Honka (Jonas Dassler), der in den 70ern sein Unwesen in Hamburg trieb. Wie die Vorlage hat der Film sich aber auch auf die Fahne geschrieben, gleichzeitig eine Milieustudie zu sein, was für mich leider nicht komplett aufging.

    Von Sven Angene

    Chinesisches Kino wird auf Filmfestivals gerne durch eine ‚politische‘ Brille betrachtet: Jeder Film aus der Volksrepublik wird an seiner Antwort auf die Gretchenfrage nach der Systemkritik gemessen. Je klarer diese formuliert ist, desto wohlwollender wird der Film aufgenommen – außer natürlich, er wird von der Zensur kassiert, wie der diesjährige Wettbewerbsbeitrag Yi miao zhong (One Second) von Zhang Yimou, der aufgrund von „technischen Problemen“ abgesagt wurde (eine kritische Positionierung der Berlinale-Leitung hierzu steht übrigens noch aus, hust hust).

    Di jiu tian chang (So long, my Son) von Wang Xiaoshuai ist diesem Schicksal entgangen, und das ist ein Grund zur Freude, da der Wettbewerb mit ihm seinen wohl besten Beitrag verloren hätte. Und ja, natürlich ist der Film auch politisch, und ja, dazu werde auch ich einige Worte verlieren. Unabhängig davon funktioniert So long, my Son aber als zeitloses Meisterstück über die entzweiende Kraft von Verlust und Schuld und die Möglichkeiten, diese zu überwinden.

    Von Janosch Angene

    Filme über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gab es in den letzten Jahren ja schon einige. Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre, im Gegenteil. Während Spotlight aber sehr nah an den außenstehenden Journalisten dranblieb, die die Missbrauchsfälle aufdeckten, und der exzellente El Club aus dem Jahr 2015 die Sicht straffälliger Priester erzählt, gibt François Ozon in Grâce à Dieu den Opfern von Missbrauch eine Stimme. Auch die Erzählstruktur und der Ton des Films hebt sich deutlich von vermeintlich vergleichbaren Filmen ab.

    Von Sven Angene

    Systemsprenger von Nora Fingscheidt ist ein Film, der sich viel Zeit nimmt, um auf den ersten Blick recht wenig zu erzählen. Ziemlich genau zwei Stunden lang beleuchtet er das Leben der titelgebenden ‚Systemsprengerin‘ Benni (Helena Zengel), einem neunjährigen Mädchen, das von Heim zu Heim und Erziehungsmaßnahme zu Erziehungsmaßnahme gebracht wird, nur um jedes Mal aufs Neue kurz darauf gewaltsam auszubrechen. Dabei wiederholt der Film beständig die zirkuläre Abfolge von Aggression zu Erschöpfung zu aufkeimender Hoffnung zu erneuter Aggression. Dieser gebetsmühlenartige Eskalationszyklus ist anstrengend und aufreibend anzuschauen, aber notwendig. Denn in der Wiederholung entfaltet Bennis Geschichte eine emotionale Schlagkraft, die es in sich hat.

    Aber nochmal auf Anfang (den es in einer Kreisbahn und dementsprechend auch im Film ja nicht so richtig geben kann):

    Von Constantin Hühn

     

    Das Motiv ist offensichtlich: ‚Freundliche Fremde‘ – welch besseres Motto in Zeiten wachsender Xenophobie. Über einen platten Aufruf, nett zu sein, kommt der Film von Lone Scherfig allerdings leider nicht hinaus. Dafür ist er so weichgespült, dass es weh tut.

    Dass und warum man von Eröffnungsfilmen nie viel erwarten sollte, hat ja Janosch bereits in seinem Beitrag aus Göteborg ausgeführt. Das hält mich allerdings nicht davon ab, immer wieder ins Staunen zu geraten, angesichts der wiederkehrenden Fehlgriffe eines Festivals wie der Berlinale, das den dezidierten Anspruch hat, ein politisches und kritisches Programm zu machen.

     

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