Zur Geschichte des Berliner Film- und Fernsehverbandes e.V.

    Verfasst von Klaus Schmutzer

     

    Als Ende Februar 1990 die Mitglieder des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR zu ihrem außerordentlichen Kongress im Berliner Kino „INTERNATIONAL“ zusammenkamen, stand für sie zum ersten Mal in der Geschichte des Verbandes die Existenzfrage zur Diskussion und Entscheidung: Selbstauflösung oder Entwicklung von Zukunftsperspektive in einer Zeit gesellschaftlicher Erschütterungen und Umgestaltungsversuche in der DDR; möglicherweise auch Verständigung auf einen Überlebenskompromiss.

     

    Die Geschichte des Verbandes beginnt mit der Entschließung des Clubs der Filmschaffenden der DDR vom 17.02.1966. Neben der Gründungsinitiative enthielt sie eine Zustimmungserklärung für jene Politik der SED-Führung, die mit dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 den rigorosen Abbruch einer Entwicklung im Kunstschaffen zur Folge hatte.

    Filme, die durch Engagement und Hoffnung auf eine erneuerungsfähige sozialistische Gesellschaft in der DDR geprägt war. Filme, die sich bemühten, der Gesellschaft einen kritischen Spiegel vorzuhalten, die auf Widersprüche und Defizite aufmerksam machten und zeigten, dass man diese angehen muss und kann, wurden vor ihrer Aufführung oder noch vor ihrer Fertigstellung verboten oder kurzfristig zurückgezogen. Dies bedeutete einen schweren Rückschlag für die Filmschaffenden der DDR.

    Unter diesem Vorzeichen wurde am 21. Januar 1967 der Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR in Berlin gegründet.

    In seinem Bericht auf dem außerordentlichen Kongress 1990 bezeichnete der damalige Verbandspräsident Lothar Bellag den Verband „als eine zu spät gekommene Frühgeburt; zu spät, weil bei seiner Gründung schon alle Fehler der Einflussnahme und Mitbestimmung besetzt waren, und Frühgeburt, weil man durch den Umstand des 11. Plenums des ZK der SED schnell ein Homunkulus von Kultur und Agitation in die Welt setzen musste, das die Ursachen, die zu dem entwürdigenden ZK-Plenum geführt hatten, künftig verhindern sollte.“

     

    Damit war für die Arbeit des Verbandes das Wechselspiel von Anpassung an den von der Parteiführung vorgegebenen Verhaltenskodex und Widerstandleisten bestimmend für die Beziehung zwischen den Künstlern und der politischen Führung der DDR.

    Von seinen geistigen Vätern im SED-Politbüro wurde der Verband nie als eine Möglichkeit demokratischer Mitbestimmung durch die Künstler gesehen, sondern als Instrument der Einflussnahme und Kontrolle. Der Verband konnte diesen Konstruktionsfehler als solchen nie korrigieren, Es gehören zur ganzen Wahrheit der Verbandsgeschichte, nachweisbar in vielen Aktivitäten, die ehrliche Überzeugung und das Engagement seiner Mitglieder, seine Versuche der Einflussnahme und des Widerstandes.

    Obwohl auf seinem Gründungskongress dem Verband Mitverantwortung für das Filmschaffen der DDR zugesprochen wurde, war auf seinem V. Kongress 1988 diese Zusage immer noch nicht voll eingelöst. Als Beispiel steht 1987 die Einladung des Verbandes an den sowjetischen Regisseurs Tengis Abuladse mit seinem Film „Die Reue“. Nur aus der Gefahr eines politischen Eklats gegenüber der sowjetischen Seite blieb diese Veranstaltung ohne Folgen für den Verband.

     

    Der Schwerpunkt der Verbandsarbeit lag in der künstlerischen Diskussion zu den DDR-Produktionen und den Filmproduktionen der osteuropäischen Länder in Kino und Fernsehen.

    Als gesellschaftliche Institution hatte sich der Verband einen eigenständigen und wichtigen Platz als Stätte erarbeitet, wo sich in kollektiver Weise die gesellschaftliche und künstlerische Meinung der Film- und Fernsehschaffenden zu theoretischen und praktischen Problemen der schöpferischen Arbeit bildete.

    Er war Partner der staatlichen Leitungen von Film und Fernsehen in kulturpolitischen und schöpferischen Fragen, zum Beispiel als Mitveranstalter der Dokumentar-, Spiel- und Kinderfilmfestivals in der DDR und durch seiner Vertreter in den Gremien der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche.

    1978 fand das erste Nationale Dokumentarfilmfestival für Kino und Fernsehen in Neubrandenburg statt (dem Vorläufer des heutigen Festivals dokumentART), auf dem im Rhythmus von da an jährlich die neuesten Produktionen mit dem Publikum diskutiert wurden. Ein Jahr später wurde in Gera das Festival für Kinderfilme in Kino und Fernsehen „Goldener Spatz“ gegründet, das im jährlichen Wechsel mit dem Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) den Weg der Filme zum Publikum und die fachliche Diskussion der Filmemacher organisierte.

     

    Durch Einladungen ausländischer Filme und Filmemacher und durch die Teilnahme von Filmen und Delegationen des Verbandes auf internationalen Filmfestivals wurde in den 23 Jahren seines Bestehens ein reger Informationsaustausch mit den anderen Länder, insbesondere der osteuropäischen nationalen Filmproduktionen gepflegt.

     

    Als Herausgeber der Fachzeitschrift FILM UND FERNSEHEN seit 1973 begleitete der Verband die film- und kulturpolitischen Diskussionen, veranstaltete zu verschiedenen Themen Symposien.

    Der Hauptteil der Verbandsarbeit spielte sich in den Sektionen ab, in denen die Mitglieder organisiert waren. Es gab folgende Sektionen: Spielfilm, Fernsehkunst, Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik, Kinderfilm, Animationsfilm, Wissenschaftspublizistik und Theorie und Kritik. Auch wurden in ständigen und zeitweiligen Kommissionen Themen diskutiert.

     

    Mit dem Ende der DDR und der Bildung der neuen Bundesländer löste sich der Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR auf, seine Mitglieder organisierten sich in neuen und eigenständigen Landesverbänden in allen sechs neuen Bundesländern. Dies war eine Folge der Bildung der neuen politischen Strukturen auf dem Gebiet der DDR.

    Die Auflösung der DEFA-Studios und des Fernsehfunks der DDR bedeutete für die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder die Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses in den Studios und den Übergang in die Freiberuflichkeit.

    Damit wurden in dieser Wendephase die neu gegründeten Verbände zu wichtigen Ansprechpartnern in beruflichen und auch sozialen Fragen.

     

    Der Berliner Film- und Fernsehverband setzte sich zunächst das Ziel, seine Mitglieder bei der Eingliederung in das Produktionssystem von Film und Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen. Er nahm Kontakte zu Filmverbänden und Filmbüros in den alten Bundesländern auf, wurde Mitglied des Dachverbandes BuFi (Bundesvereinigung des deutschen Films), delegierte Mitglieder in verschiedene Gremien der Filmbranche. Er war Mitinitiator der Neugestaltung der Berliner Filmförderung, die in die Gründung der Filmboard Berlin-Brandenburg GmbH (heute: Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH) mündete.

     

    Nach nun fast 30 Jahren seiner Existenz sieht der Berliner Film- und Fernsehverband seine wichtigste Aufgabe in der Bewahrung und Entwicklung der Filmkultur in der Region Berlin-Brandenburg und darüber hinaus in Deutschland und vertritt in diesem Sinne die Interessen seiner Mitglieder in den verschiedenen Gremien. Er entwickelt diesbezüglich Initiativen.

    Als Mitveranstalter von Filmreihen sucht er mit interessanten aktuellen und historischen Filmen den Kontakt zum Publikum und informiert in seinem Informationsbulletin „ff aktuell“ seine Mitglieder und Partner über das Verbandsleben und das filmpolitische Geschehen in der Region

    © 2017 Berliner Film- und Fernsehverband e. V. All Rights Reserved. Designed By JoomShaper

    Please publish modules in offcanvas position.